Martina Binnig, Gastautorin / 16.02.2024 / 06:00 / Foto: C.Suthorn / 32 / Seite ausdrucken

EU gibt Bauern-Protesten nach

Die EU-Kommission macht den protestierenden europäischen Bauern einige Zugeständnisse, doch deutsche Minister wollen die für deutsche Landwirte nicht umsetzen.

Die EU-Kommission rudert zurück und gibt damit – zumindest teilweise – dem Druck der Landwirte nach: Rückwirkend ab dem 1. Januar und bis zum 31. Dezember 2024 gilt, dass ein bäuerlicher Betrieb die sogenannten GLÖZ-8-Anforderungen auch dann erfüllt, wenn er nicht nur – wie ursprünglich gefordert – vier Prozent des Ackerlandes brachliegend oder unproduktiv hält, sondern auch, wenn er stattdessen stickstoffbindende Pflanzen wie etwa Linsen, Erbsen oder Favas oder Zwischenfrüchte ohne Pflanzenschutzmittel auf vier Prozent seines Ackerlandes anbaut. Zwischenfrüchte sind Pflanzen, die zwischen zwei Hauptkulturen wachsen und beispielsweise als Futter für Tiere oder als Gründünger dienen.

Die Abkürzung GLÖZ steht für „guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand“. Will ein landwirtschaftlicher Betrieb finanzielle Unterstützungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU in Anspruch nehmen, muss er seit 2023 ein Paket von neun Umwelt- und Klimastandards einhalten. Diese Grundstandards werden als GLÖZ-Standards bezeichnet.

Der GLÖZ-Standard 8 schrieb Betrieben ab zehn Hektar Ackerland unter anderem vor, dass ein Mindestanteil der Ackerfläche auf brachliegende Flächen oder Landschaftselemente wie Hecken oder Bäume entfallen muss. Der Bayerische Bauernverband wertet die Ausnahmeregelung der EU für 2024 nun als Erfolg und fordert zugleich, dass diese Regelung über 2024 hinaus verlängert werden müsse, da ein Stilllegungszwang nicht zeitgemäß sei. Für ein nachhaltiges Europa brauche es multifunktionale Flächennutzungen und Zukunftsperspektiven in der Landbewirtschaftung. Daher müsse die EU-Kommission alle Ansatzpunkte für Zwangsstilllegungen streichen.

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, erwartet jetzt eine zügige Entscheidung der Bundesregierung, denn die EU-Staaten können bis spätestens zum 29. Februar der EU-Kommission mitteilen, ob und inwiefern sie von dieser Option Gebrauch machen. „Bei den Änderungen an der Konditionalitätsverpflichtung GLÖZ 8 im laufenden GAP-Antragsjahr 2024 sind für die Landwirte zügige Entscheidungen sowie eine klare und verlässliche Kommunikation der neuen Regelungen sehr wichtig“, so Götz. Sollten Bund und Länder nicht kurzfristig aktiv werden, ginge die aktuelle Initiative aus Brüssel für die deutschen Landwirte ins Leere.

Deutschland sucht den Sonderweg

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zögert jedoch noch mit einer klaren Ansage, und Bundesumweltministerin Steffi Lemke spricht sich sogar gegen die Ausnahmeregelung aus. Sie wolle sich dafür einsetzen, „dass dieser überstürzte und unreife Beschluss zur GLÖZ-8-Regelung in Deutschland nicht umgesetzt wird“, so Lemke. Denn die „wichtige Arbeit von Landwirtinnen und Landwirten“ habe nur dann eine Zukunft, „wenn die Artenvielfalt ausreichend geschützt ist“. Das Landwirtschaftsministerium will sich nun erst einmal anschauen, welchen Weg andere EU-Mitgliedstaaten einschlagen. Deutschland hatte sich auch am vergangenen Freitag bei der Abstimmung im zuständigen EU-Ausschuss enthalten, da – so Özdemir  – die Kommission das gemeinsame Ziel, der massiven Bedrohung der Ökosysteme endlich etwas entgegenzusetzen, verrate. Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig kündigte dagegen umgehend an, die Umsetzung der Ausnahme vorzubereiten.

EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski lobt sich derweil selbst und stellt fest: „Die Entscheidung spiegelt die außergewöhnlichen Umstände wider, mit denen unsere landwirtschaftliche Gemeinschaft konfrontiert ist. Sie beweist, dass die Kommission zuhört, sich engagiert und auf die Bedürfnisse reagiert.“ In ihrer Vorlage von Ende Januar hatte die EU-Kommission als Alternative zur Stilllegung von vier Prozent der Ackerfläche noch den Anbau von Leguminosen oder Zwischenfrüchten auf mindestens sieben Prozent der Flächen eingefordert. Festgehalten wurde allerdings an der Vorgabe, dass chemische Pflanzenschutzmaßnahmen auf den betreffenden Flächen untersagt bleiben.

Und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont: „Nur wenn unsere Landwirte von ihrem Land leben können, werden sie in die Zukunft investieren. Und nur wenn wir unsere Klima- und Umweltziele gemeinsam erreichen, können die Landwirte auch weiterhin leben. Unsere Landwirte sind sich dieser Tatsache durchaus bewusst. Diese Maßnahme bietet den Landwirten Flexibilität und belohnt sie weiterhin für ihre entscheidende Arbeit zur Förderung der Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit in der EU. Wir werden bald weitere Vorschläge vorlegen, um den Druck, dem unsere Landwirte ausgesetzt sind, zu verringern.“ 

Fragt sich allerdings, warum sich die EU-Kommission überhaupt derart in die Landwirtschaft einmischt und offenbar unrealistische Forderungen stellt, sodass sie wieder zurückrudern muss. Soll durch die Ideologie des Green Deal – also des Umbaus der Wirtschaft zur Klimaneutralität bis 2050 – unter anderem der Markt für Laborfleisch und für die sogenannte vertikale Landwirtschaft unter künstlichen Lichtquellen vorbereitet werden?

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

Foto: C.Suthorn C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 / commons.wikimedia.org(Note the three necessary links to author, licence and image file in the attribution.), CC BY-SA 4.0, Link

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Emil.Meins / 16.02.2024

@Jochen Lindt / “Özdemir ist offensichtlich der einzige qualifizierte Minister in dieser Ampelregierung.” Entschuldigen Sie bitte, aber woraus schließen Sie das? Nur weil Özdemir etwas sagt, was Ihnen grade in den Kram passt, schließen Sie, er sei qualifiziert? Ich weiß nicht, was da bei ihrem Ferienhaus schief läuft, wird dort Gülle im Übermaß ausgebracht, oder was? Aber vielleicht waren Sie beim Kauf ja nicht vorsichtig, sich vorher die Gegend anzuschauen, da ist verständlich, daß Sie sauer sind. Nur hat Özdemir mit SH überhaupt nichts zu tun. Er ist nur ein begnadeter Schwätzer und betet die üblichen Grünen Phrasen her, und kennt die innerparteilichen Schliche und Seilschaften, um seine Ziele zu erreichen. Wie weit sein Verständnis für die Landwirtschaft geht, hat man ja an seinen dummen Sprüchen zu den demonstrierenden Bauern gesehen. Der Landwirtschaftsminister sollte nicht grade seine Klientel beleidigen und belehren, wenn er nicht mehr drauf hat, als eine Cannabispflanze auf dem Balkon zu ziehen. Mit Ackerbau und Viehzucht hat das nur marginal zu tun, reicht aber bei den Grünen als Expertise für höhere Weihen. Und noch etwas Generelles: leider glauben allzu viele Menschen daran, wenn irgendeine Persönlichkeit mal etwas “Kluges” gesagt hat, (was gerade in das eigene Weltbild passt), müßte alles andere, was diese Person im Lauf der Zeit von sich gibt, genau so klug sein, mindestens, wenn nicht noch mehr. Und himmeln dann jeden Furz an, der demjenigen entfleucht. Da wird dann unhinterfragt alles bejubelt, was X oder Y so abläßt, weil er doch mal das und das gesagt hat, und das war so gut! Ist aber leider Quatsch. Wer gestern etwas vermeintlich “Gutes” gesagt hat, kann zu einem anderen Thema den größten Mist erzählen. Aber alle fallen ihm zu Füßen und sind begeistert. In manchen Komödien haben solche “Gurus” dann ihren Jüngern den größten Quatsch erzählt, nur um zu sehen, wie weit diese ihnen folgen. Blinder Glaube: nicht ratsam!

Jo Walter / 16.02.2024

Es läuft mit EU-Vorgaben wie immer. Schadet es uns, wird es sofort gemacht, würde es uns nützen, wird es nicht umgesetzt. So findet sich in Deutschland ein Sammelsurium von überzogenen und nachteiligen Regelungen - in fast allen Sparten.

Emil.Meins / 16.02.2024

Frau vdL hat doch von Landwirtschaft, soweit sie über ihr vom Wolf gefressenes Pony hinausgeht, “so viel Ahnung, wie eine Kuh von Strahlenforschung”. Zudem hat sie sich nach PETA auch schlimmster Vergehen schuldig gemacht (Tiere nur für unser Vergnügen zu benutzen). Aber das wird bei der Bemessung des Strafmaßes nicht berücksichtigt wegen Geringfügigkeit, da wiegen ihre “Nachlässigkeiten” bei der Impfstoffbestellung per SMS, samt höherem Preis, schon schwerer. Oder in ihrer Zeit im Verteidigungsministerium mit den vielen “Beratungskosten”. Sonst hat sie auch nicht von viel Ahnung, deshalb hat sie ja in all ihren Ämtern eigentlich immer das Gleiche gemacht, ist halt so, wenn man über ein beschränktes Repertoire verfügt, und ansonsten nur über Gier und Dünkel. Und dann spricht sie frech “nach Gutsherrenart” über und gar im Namen der Bauern: „Nur wenn unsere Landwirte von ihrem Land leben können, werden sie in die Zukunft investieren. Und nur wenn wir unsere Klima- und Umweltziele gemeinsam erreichen, können die Landwirte auch weiterhin leben. Unsere Landwirte sind sich dieser Tatsache durchaus bewusst.”, als wüßte sie genau über deren Gedanken Bescheid. Das Beste ist aber das mehrfache “unser”, das fatal an “unsere Demokratie” erinnert, was wir aus den Mündern der obersten Staatsdiener ja auch immer hören, die vom Dienen allerdings nichts verstehen, wie von so vielem anderen auch nicht. Vor allem nichts von Demokratie und Rechtsstaat, nur vom eigenen Nutzen. Darunter kann man auch den Herrn Sozialpädagogen Özdemir subsumieren, der den Landwirten Vorträge halten will, aber eigentlich eher ein Baby Schimmerlos ist. Vielleicht sollten die Bauern die Herrschaften öfter mal mit dem grünen Ungezieferbekämpfungsmittel, genannt Gülle oder bayrisch Odel, besprühen? Der Umwelt würde es sicher nützen. Und voll öko natürlich.

Jochen Lindt / 16.02.2024

Özdemir ist offensichtlich der einzige qualifizierte Minister in dieser Ampelregierung.  Er hat vollkommen recht, denn es kann nicht sein, dass den Bauern - weil sie lautstark und teil gewaltsam protestieren - erlaubt wird,  Umwelt/Natur zu vergiften. Das geht einfach zu weit. Bei unserem Ferienhaus (Dithmarschen/SH) ist das aufbereitete(!) Trinkwasser offiziell gesundheitsschädlich, Trinkwasser gibt es nur im Supermarkt.  Draußen in den Drainage-Bächen eine gelbe Jauche so schlimm wie weiland in den Industrieabwässern der DDR. Alles Bauerngifte. Nein Danke.

Max Kainer / 16.02.2024

Wozu Bauern wenn in Zukunft alles in Fabriken wachsen soll?

L. Luhmann / 16.02.2024

“Und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont: „Nur wenn unsere Landwirte von ihrem Land leben können, werden sie in die Zukunft investieren. Und nur wenn wir unsere Klima- und Umweltziele gemeinsam erreichen, können die Landwirte auch weiterhin leben. (...)”——Ich und mein alter Kumpel Siggi Freud finden , dass das wie eine Todesdrohung klingt.

Margaret Deyhlen / 16.02.2024

Habe ich das richtig verstanden: Politiker der EU und Politiker der Mitgliedsstaaten kommen einander in die Quere? Das hat fast was von “Spaltung der herrschenden Klasse”. Wie lustig. So kann sich das Blatt wenden…

A. Ostrovsky / 16.02.2024

Minister beginnt mit mini. Vielleicht ist es das. Sturm im Wasserglas. Ein deutscher Mini, der seine EU-Richtlinie nicht umsetzt… Ich habe Lachanfälle, wenn ich daran denke. Das ist ja wie der Suppenkasper, der seine Suppe nicht isst.

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